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Benachrichtigungstext

Nur ein Jahr nach unserer letzten Indienreise reisten wir Ende Mai für zwölf Tage nach Nepal. Koordiniert und begleitet haben uns wiederum unsere beiden hochgeschätzten und liebenswerten Schutzengel – Aban Bana (Präsidentin der Indischen Landesgesellschaft) und Dilnawaz Bana (Heileurythmistin).

Anthroposophie in Nepal

Von drei Initiativzentren, die im Folgenden noch charakterisiert werden sollen, war unser 12-köpfiges Lichteurythmie-Ensemble eingeladen worden, sodass insgesamt fünf Aufführungen zustande kamen: die allerersten Eurythmie-Aufführungen in Nepal übrigens! Thematischer Schwerpunkt bildete das indische Märchen Bhakta Dhruva, das im Kern durch Entsagung und spirituelle Praxis die Reifung eines Königssohns zum erleuchteten Sadhu und Herrscher seines Reiches beschreibt.

Eigenart Nepals

Dass in Nepal dieses Märchen in einer kämpferischeren Variante ebenfalls bekannt ist, hängt vielleicht mit einer nationalen Besonderheit des Vielvölkerstaats mit seinen 93 Dialekten zusammen: Nepal ist nicht nur die Geburtsstätte Gautama Buddhas in Lumbini, sondern brachte seit jeher die Gurkhas hervor, jene besonders mutvollen Kämpfer und Krieger, die als Söldner an vorderster Front in verschiedenen Konfliktgebieten eingesetzt werden. Bis heute findet man verschiedene Trainingszentren rund um Kathmandu, in denen diese Elitesoldaten ausgebildet werden, bevor sie - im Ausland eingesetzt und mit ihrem Sold die ganze Familie ernährend – nebst Tourismus/Himalaya-Trekking, Landwirtschaft und Wasserkraft (nach Brasilien der zweitreichsten Wassernation weltweit) zu den wichtigsten Einnahmequellen Nepals zählen. Noch bis vor kurzem ein Hindu-Königreich, das auf sehr dramatische und höchst undurchsichtige Weise beendet wurde, beherbergt Nepal die verschiedensten Ethnien; religiös haben sich hier Hinduismus, Buddhismus und Schamanismus vermischt. Seit 2006 gibt es eine eigene Konstitution. Zwar leben 25 % der 33 Millionen Nepali in Armut, noch immer findet sich hier die «Arm-Leute-Krankheit» Lepra, und doch wirkt Nepal und zwar sowohl in der Grossstadt, als auch auf dem Lande, geordneter, als sein südlicher Nachbar. Das allergrösste Elend liegt nicht direkt einsehbar auf der Strasse. Manches ist primitiv geblieben, läuft aber in friedvollen, ursprünglich gewachsenen Strukturen ab, in denen der westlich Fortschritt erst zögerlich Einzug hält. Die Begegnung mit «dem Nepali» zeigte ein offenes, und gleichzeitig doch scheues Wesen auf das sich einem in ruhiger Zurückhaltung zuwendet.

Grosse und kleine Nachbarn

Während die tibetische Regierung in Indien im Exil weilt, werden die tibetischen Exilanten in Nepal – durch gutes Networking – bestens betreut. Immer wieder stösst man im Strassenbild in den Läden, in Wohngebieten, auf ganze Einrichtungen tibetischer Herkunft. China nimmt über die kommunistische Partei(Maoisten) gezielten Einfluss an den Entwicklungen im Land, und hat in Kathmandu beispielsweise eine mehrheitlich asphaltierte Ringstrasse gebaut. Und tritt somit in eine Art Konkurrenzkampf zu Indien, dass seinerseits seine Einflusssphäre in Nepal erweitern möchte.  Der wirtschaftliche Aufschwung Nepals hängt also intensiv von seinen beiden starken Nachbarn im Norden und Süden ab. Leider ist damit der Korruption und Behördenwillkür kein Riegel vorgeschoben. Gerade die anthroposophischen Initiativen werden durch die Maoisten vor einige Probleme gestellt. Wie in allen Entwicklungsländern verfolgen aber auch 1500 Vertreter von Nichtregierungsorganisationen(NGOs) vor Ort die verschiedensten offenen oder verdeckten Interessen.

Erdbeben 2015

Die Schäden in den betroffenen Gebieten sind längst nicht vollständig behoben. Das historische Viertel Hanuman Dhoka am Durbar Square im Herzen Kathmandus, mit Tempel, Palästen, hinduistischen und buddhistischen Schreinen, entstanden zw. dem 12. und 18 Jahrhundert, weist noch immer verheerende Schäden auf. Unzählige Strassen wurden nach dem Beben aus Reparaturgründen ein zweites Mal aufgerissen – und nicht wieder geteert, dadurch entsteht im alltäglichen Lastwagenverkehr eine unglaubliche Staubentwicklung. Viele Stadtbewohner wagen sich deshalb nur mit Mundschutz auf die Strasse.

Kevin Rohan Memorial Eco Foundation

Soforthilfe für die Erdbebenopfer war nur ein Projekt dieser 2008 von Krishna und Leela Gurung gegründeten Initiative bei Khokana im Kathmandu.Tal, Zusammen mit ihrem Geschäftsführer Santosh Chhetri organisierten auch sie von einem Tag zum nächsten eine  Essens- und Trinkwasserabgabe, pro Woche wurden 25'000 Menschen versorgt, Baumaterialien verteilt, mit vielen Mitarbeitenden und Freiwilligen 63 Häuser gebaut – schliesslich drohte 6 Monate später der Winteranfang. Die Foundation entstand aus grossem persönlichem Leid, dem Verlust von Gurungs kleinem Sohn Rohan, und verwandelte sich in eine segensreiche Versorgung für viele andere Kinder: beginnend mit der kostenlosen Versorgung durch eine Gesundheitsklinik, gefolgt vom Ankuran Waldorf-Kindergarten, die Zusammenarbeit mit der dortigen Dorfschule (beides bewirkt eine Lebensschule für die Eltern); mit  biologisch-dynamischer Landwirtschaft, Biogasgewinnung und Briquettes-Erstellung aus Altpapier; den originellen Flaschenhäusern, erstellt aus leeren Glasflaschen, Kuhdung und Bambus; der Lepra-Siedlung von therapierten, aber aus der Gemeinschaft ausgestossenen Leprakranken; dem öffentlichen Eco-Café von Leela – so entstanden Arbeitsplätze für 53 Menschen, die Hälfte davon sind Lepra-Versehrte. (Weitere Informationen siehe www.krmef.org)
Aufführungen

Nicht nur draussen im Schulhof der Dorfschule, sondern vor allem im Rashtriya Nach Ghar, dem grossen Theatersaal der Nationalen Tanzschule fanden unsere Eurythmie-Aufführungen statt. Die Ankuran-Kinder, Lehrer, Mitarbeiter und freiwillige Helfer aus der ganzen Welt, nahmen mit offenen Augen und Ohren dankbar die Darbietung wahr. Die Vor- und Nachbereitung der Bühne beansprucht jeweils 4-5 Mal mehr Zeit als die eigentliche Darbietung. Die Bewältigung der mannigfachen technischen Hindernisse in einem Entwicklungsland stellt immer wieder eine Herausforderung dar.

Maitreya Patshala Waldorf Inspired Scool und Biodynamic Agriculture in Pokhara

Nach einer 8stündigen Rüttelfahrt mit dem Greenline-Linienbus kamen wir mit unseren grossen Bühnenkoffern wohlbehalten im schönen, grünen Pokhara an. Auf der Ausfallstrasse aus dem Kathmandutal heraus wurde der gefährliche Gegenverkehr, die Lastwagen und der Staub irgendwann ruhiger, die Strasse streckenweise geteert, die Fahrt schneller hoch zum Pass in frischere Luft. Plötzlich veränderte sich die Landschaft. Die steilen Hänge wurden zunehmend terrassiert und gliederten rhythmisch den Bereich zwischen Talsohle und Bergkuppen. Aus einem begleitenden Rinnsal wurde ein Flüsschen, dann ein breiter Strom – darüber immer wieder gespannt die wertvollen Hängebrücken, von den Bewohnern emsig genutzt. Trishuli heisst der Fluss, der durch einen Avatar von Shiva entstanden war, als dieser durstig in den Bergen, seinen Dreizack in den Boden stach und so den wasserreichen Trishuli hervorrief, der selbst zwei Wochen vor dem Monsun noch genügend Wasser trägt. Davon profitieren die unzähligen Reisfelder links und rechts der Strasse.                                      

Unser nächster Gastgeber, Ritman Gurung, Waldorflehrer und werdender Eurythmist, hat die «Theosophie» von Rudolf Steiner aus dem Englischen ins Nepalesische übersetzt. Mit einer Gruppe von rund 20 Menschen findet eine regelmässige anthroposophische Arbeit statt. Durch die Landschenkung einer Gönnerin, konnte die kleine Schule mit ihren 3 Klassen und 27 Schülern Fuss fassen:»Maitreya», der stehende, zukünftige Buddha, ist Schirmherr, für die waldorfassozierte pädagogische Arbeit. Angegliedert der kleine biologische-dynamische Bauernhof mit seinen vier Gästehäusern. Nach unserer Ankunft erschien erstmalig einer der Himalaya-Berge, ein gleichmässiges weisses Dreieck, im Abendrot aufleuchtend – der Maccapuchare, der Heilige Berg, der nicht bestiegen werden darf. Anderntags die Aufführung im «Chamber of Commerce and Industry» von Phokara, einem Bühnensaal der rege benutzt wird. Schüler, Lehrer und Freunde freuten sich über die Darbietung und luden anderntags zu reichhaltigen Ausflügen und Bewirtungen, hoch zur Friedensstupa, raus auf den Phewa-See, runter in die unterirdische, 5000 Jahre alte Guptheshwor-Grotte. Wir bedanken uns mit einem Vortrag über die Entstehung der Eurythmie von Aban Bana und einem Workshop. Zwei Nächte hintereinander tobten heftige Gewitter, ein stundenlanges Wetterleuchten, massiver Regen, doch anderntags war alles von der Erde verschluckt, die Luft heiss und feucht.
(weitere Informationen unter http://maitreyapathshala.wixsite.com/maitreya)

Kathmandu – Shanti Sewa Griha

Nur ein Teil von uns mutete sich die Rückfahrt im Bus nochmals zu. Der andere Teil checkte auf höchst unkomplizierte Weise im Flughafen von Pokhara ein und hoffte während des einstündigen Flugs nach Kathmandu auf einen Blick auf den «Sitz der Götter». Der Himmel blieb aber bewölkt – erst bei der endgültigen Abreise aus Nepal durften wir einem Teil des freiliegenden Annapurna-Gebirges unsere aufgestaute Ehrerbietung entgegenbringen. Zuvor jedoch wurden wir von unseren dritten Gastgebern in der Hauptstadt erwartet. Marianne Grosspietsch und ihr Sohn Heiko durften in diesem Jahr mit dem Shanti Sewa Griha bereits ihr 25-jähriges Jubiläum feiern! Unzählige tüchtige Mitarbeitende in den verschiedensten Bereichen haben die Sozialstation zu dem Vorzeigeprojekt gemacht, das es heute ist: einem Auffangbecken und Zuhause für Bettler, Obdachlose, Waisen, Verkrüppelte, Arme und (Lepra-)Kranke. Weswegen nebenbei gesagt der Gesundheitsminister anerkennend die von uns mitgetragene Fest-Veranstaltung in der National Dance Hall feierlich eröffnete und Gruss-und Anerkennungsworte der Regierung überbrachte. Jeder Beamte kann nur mit Respekt und Neid auf die funktionierenden Strukturen mitten in der Grossstadt schauen: medizinische Betreuung, Essensabgabe, Beschäftigung in den Werkstätten, deren Produkte heute auch ins Ausland geliefert werden etc. -  oder einfach eine Beheimatung für die Ausgestossenen. Die Kinder erfahren eine musikalische Bildung in Zusammenarbeit mit einer externen Musikschule. Und das alles in einem farbenfrohen, kunstvoll bemalten Bau mitten in der Stadt. Eben entsteht auf der Nachbarparzelle ein Neubau für die Ältesten der Bewohner, sie brauchen andere Bedingungen. Überall herrscht eine fröhliche Stimmung, man ist emsig am Arbeiten. Mancherlei Prominenz findet sich auf der Sponsorenliste. Der Weg dahin war aber steinig, der Erfolg weckte Begehrlichkeiten bei Menschen, die auch vor Gewalt nicht zurückschreckten.
(weitere Informationen unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, http://shanti-leprahilfe.de/)

Waldorfschule – Tashi in Kathmandu

Auf das Freundlichste wurden wir von Schülern und Lehrer der allerersten echten Rudolf Steiner-Schule in Kathmandu begrüsst, und zwar mit Reigen, Gesängen und einem gemeinsam gesprochenen Gebet. Ergreifend mit welchem Ernst, geradezu inbrünstig manche der Kleinen mit geschlossenen Augen ein Mantram vorgetragen haben. Wir verdankten den Empfang mit einem Kindereurythmie-Workshop, der mit grossem Vergnügen aufgenommen wurde. Eine Tibetische Teppichfabrikfamilie hatte durch die Schenkung des Grundstücks das Fundament der 5-jährigen Schule gelegt. Rund 125 Kinder bevölkern die einfachen Gebäude, die innen aber deutlich die waldorfpädagogische Prägung tragen. Nach dem Erdbeben musste man für die Kleinsten im Vorschulalter ein neues Gebäude errichten – und dafür einen Teil des Spielplatzes opfern. Fenster fehlen hier noch, im Winter wird es sehr kalt werden. Eine konkrete Spendenhilfe hierfür wäre sehr willkommen! Das Lehrerkollegium der Tashi-Waldorfschule steht im aktiven, beratenden Austausch mit der oben beschriebenen Anturan-Schule der Kevin Rohan Eco Foundation. ( Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiner e.V., Weinmeisterstrasse 16, DE-10178 Berlin, über GLS-Bank Bochum, IBAN-Nr. 47430609670013042010, Verwendungszweck «The Children of Nepal – Project 4405 »)

Abschied von Nepal

Natürlich durfte ein Besuch beim wichtigsten Shiva-Tempel Pashupatinath nicht fehlen, Obwohl uns Fremden den Eintritt in den inneren Bereich verwehrt blieb, beeindruckte uns doch die Schilderung eines Stadtfestes, einer lebendig erhaltenen religiösen Sitte von Hindu-Pilgern, welche im Frühling aus dem ganzen Land, zu einem grossen Teil aber auch aus Indien anreisen, um durch Fasten und nächtliches Wachen Shiva zu verehren. Auch in Nepal gibt es ein Kastensystem, dem nicht nur bei Hochzeiten Folge geleistet wird, sondern das auch bei den Todes-Ritualen den Hinterbliebenen strenge Regeln auferlegt. Die Verbrennungszeremonie findet ebenfalls im benachbarten Bereich Pashupatinaths am Fluss statt. Der Tod gilt als unrein, weshalb der Leichnam verbrannt wird. Er betrifft in Abstufungen die ganze Verwandtschaft, am meisten aber den ältesten Sohn. Noch Jahre danach wird am Todestag ein Ritual zelebriert, um die Verbindung zu den Ahnen aufrecht zu erhalten., kein wichtiges Ereignis begonnen ohne ihrer zu gedenken. – Mit diesem Bild des Vergehenden rundete sich unser Eindruck eines Volkes, das sich mit viel Mut, Zähigkeit und Positivität den entwicklungshemmenden Einflüssen von Chaos und Korruption entgegenstellt, und entschlossen an der eigenen Zukunft weiterbaut.


Gabriela Maria Gerber, Sprachgestalterin